Schutzkonzept von Wildwasser Berlin
Gewalt gegen junge Menschen hat vielfältige Erscheinungsformen. In jeder Facette widerspricht sie unserem Leitbild und pädagogischen Auftrag. Alle Adressat*innen unserer Angebote haben das Recht, vor physischer, psychischer und emotionaler Vernachlässigung, vor physischer, psychischer und sexualisierter Gewalt, vor pädagogischem Zwang, vor institutioneller Diskriminierung und Gewalt, Stigmatisierung, Herabwürdigung und Ausgrenzung geschützt zu werden.
Dass junge Menschen Gewalt erleben müssen, können wir strukturell nicht verhindern, sondern nur begleiten und sie mit den Folgen nicht alleine lassen. Im Kontext unseres institutionellen Schutzkonzeptes müssen und können wir hingegen verhindern, dass unser Schutzort selbst zur Gefahr wird und die ungleich verteilte Macht in pädagogischen Settings ausgenutzt oder missbraucht werden kann.
Inwieweit unsere Strukturen und die darin tätigen
- Fachkräfte Machtmissbrauch und Gewalt fördern oder verhindern,
- eine klare fachliche und persönliche Haltung zum Schutz von jungen Menschen vertreten,
- Gewalt erkennbar und aufdeckbar werden lassen,
- Interventionen zum Schutz der Betroffenen ermöglichen,
- und generell aus Fehlern und strukturellem Fehlverhalten lernen – im Sinne einer Verbesserung des Schutzes aller Adressat*innen,
liegt in unserer institutionellen und der persönlichen Verantwortung der Mitarbeiter*innen. Mit der Einstellung bei Wildwasser nehmen Fachkräfte explizit und arbeitsrechtlich bindend das Leitbild des Trägers sowie die Ethikrichtlinien und den Verhaltenskodex zur Kenntnis. Die damit getroffene aktive Zustimmung zur pädagogischen Grundhaltung in den zentralen Fragen des Kinderschutzes ist die erste zentrale präventive Maßnahme.
Als Schwerpunktträger zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt sind wir uns in besonderem Maße bewusst, dass gewalttätige Machtausübung selten für Betroffene und Unterstützende direkt als solche erkennbar ist, sondern in der Regel mit „Fehlern“ und Grenzverletzungen beginnt, die – wenn keine Intervention erfolgt – kumuliert die Selbstschutzmechanismen und Ressourcen der Betroffenen wirkungslos machen können. Unsere Adressat*innen haben in der Regel bereits erleben müssen, dass ihre Unversehrtheit und ihre Grenzen nicht ausreichend geachtet wurden, sie sind besonders vulnerabel und benötigen besondere Unterstützung bei dem Schutz vor Gewalt.
Wir fühlen uns deshalb besonders verpflichtet, schon in Anfangsstadien von zwischenmenschlichem und pädagogischem Fehlverhalten zu intervenieren – im Sinne des Paritätischen Gesamtverbandes analog der Differenzierung zwischen Grenzverletzungen, Übergriffen und sexualisierter Gewalt:
Grenzverletzungen beschreiben in der Regel einmalige oder gelegentliche unangemessene Verhaltensweisen gegenüber Kindern und Jugendlichen, die die persönlichen Grenzen innerhalb des jeweiligen Betreuungsverhältnisses überschreiten. Grenzüberschreitungen können aus mangelnder Fachlichkeit, persönlichen Unzulänglichkeiten, Stresssituationen oder fehlenden bzw. unklaren Einrichtungsstrukturen resultieren und sind nicht selten auch eine Frage der Haltung. Die Sensibilisierung der Fachkräfte ist hier besonders bedeutsam und bildet die Grundlage für eine angemessene Intervention. Übergriffe passieren im Gegensatz zu Grenzverletzungen nicht zufällig oder aus Versehen. Sie sind vielmehr Ausdruck eines unzureichenden Respekts gegenüber Adressat*innen, grundlegender fachlicher Mangel und / oder Teil einer gezielten Desensibilisierung im Rahmen der Vorbereitung sexualisierter Gewalt / eines Machtmissbrauchs. Dabei setzen sich die übergriffigen Fachkräfte (bzw. Ehrenamtliche, Freiwillige, Personen im Praktikum etc.) bewusst über den Widerstand der ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen, die Grundsätze der Institution (Leitsätze, Konzeptionen, Dienstanweisungen, Verhaltenskodexe etc.), über gesellschaftliche Normen oder allgemeingültige fachliche Standards hinweg.
Sexualisierte Gewalt ist jede sexuelle Handlung, die an, mit oder vor einem Kind oder einer jugendlichen Person vorgenommen wird. Sexualisierte Gewalt bedeutet, dass der Täter* oder auch die Täterin* die Macht- und Autoritätsposition sowie das Vertrauens- und Abhängigkeitsverhältnis ausnutzt, um eigene Bedürfnisse auf Kosten des Kindes oder der jugendlichen Person zu befriedigen. Zentral ist dabei die direkte oder indirekte Verpflichtung zur Geheimhaltung.
Stand: Oktober 2023