Sofortige Rücknahme der fristlosen Kündigung von Leistungsverträge der Mädchen*Einrichtungen „Alia“ und „Phantalisa“!
Unsere Stellungnahme:
Sehr geehrte Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann,
sehr geehrter stellvertretender Bürgermeister Oliver Nöll,
sehr geehrte Bezirksverordnete des Bezirks
Friedrichshain-Kreuzberg der demokratischen Fraktionen,
als Träger verschiedener Einrichtungen zum mädchen*spezifischen Kinderschutz haben wir ungläubig und mit Empörung von der fristlosen Kündigung der beiden etablierten Mädchen*projekte „Alia“ und „Phantalisa“ erfahren. Dieses intransparente Vorgehen sehen wir als Akt der politischen Willkür.
Gerade in der Krisenarbeit stellen wir immer wieder fest, dass viele Kinderschutzfälle vermeidbar gewesen wären, wenn die Mädchen* die Möglichkeit gehabt hätten, in vertrauensvollen Räumen über ihre Situation jenseits von patriarchalen Erwartungshaltungen und anderen Diskriminierungserfahrungen zu sprechen. Mädchen* lernten in diesen Räumen, wie Teilhabe und demokratisches Lernen funktioniert, erfuhren Selbstwirksamkeit und lernten unterschiedliche Lebensrealitäten an einem für sie sicheren Ort kennen und verstehen. So können sie sich für ein empathisches Miteinander, unabhängig von Herkunft öffnen.
Der Verlust der Räume und der Abbruch der Beziehungen zu den Kolleg*innen von Phantalisa und Alia bedeutet für die Mädchen* eine Ohnmachtserfahrung und steht damit in einem fundamentalen Gegensatz zu der Idee eines Mädchenclubs, denn Alia und Phantalisa bieten seit vielen Jahren einen Schutzraum für Mädchen*, der in ihren Biographien für ihr weiteres Leben einen wichtigen Baustein ausmacht.
Dass ihre Einrichtung schließt, verstärkt ihr Erleben, nicht dazu zugehören, keinen Einfluss auf Entscheidungen zu haben, nicht zur Mehrheitsgesellschaft zu gehören.
Es wurde seitens des Bezirksamts die Chance vertan, mit den Kolleg*innen zu sprechen und eine gemeinsame angemessene Umgehensweise zu finden mit einen Thema, dass die Gesellschaft aktuell spaltet, wo es aber – gerade in der Jugendarbeit – immer wieder Beispiele gibt, wie konstruktiv und demokratisch damit umgegangen werden kann.
Das Wichtigste ist gerade zum jetzigen Zeitpunkt, dass diese Polarisierung und Spaltung in der Gesellschaft nicht weiter verschärft wird, sondern „Streit“-Räume erhalten bleiben, in denen die Möglichkeit besteht, ungefährdet und sanktionsfrei über die Themen zu reden, die die Mädchen* bewegen. Wir haben die Arbeit der Kolleg*innen vor Ort als differenziert und unterschiedliche Meinungen zulassend erlebt, so dass sie genau für solche Räume stehen. Anderenfalls werden wir die Auswirkungen dieser Ohnmachtserfahrungen, dieser Wut und dieser Ängste, die aus einem Miterleben einer solchen Demontage der vertrauten Räume erfolgt, in unserer Krisenarbeit zu bewältigen haben. Wenn das Ziel der Maßnahme ein Entgegenwirken der Radikalisierung ist, wird damit das Gegenteil erreicht.
Wir schließen uns den Forderungen nach der Rücknahme der fristlosen Kündigung der Leistungsverträge der beiden Mädchen*Einrichtungen vorbehaltlos an.
Mit freundlichen Grüßen
Corinna Weiler und Dorothea Zimmermann
Geschäftsführerinnen